Energiebilanz 4 – Begrenzte Energiegewinne bei der MVA-Strategie

Theoretisch besticht das Konzept, Klärschlammverbrennung und Heizkraftwerk Nord in Bonn zu kombinieren. Die genauere Prüfung überzeugt aber keineswegs. Denn die versprochenen Energievorteile sind vermutlich deutlich geringer als die bisherigen Ankündigungen suggerieren. Fehlanzeige besteht zudem weitgehend zu harten, nachprüfbaren und in sich stimmigen Fakten der Energievorteile.

ALLEINSTELLUNGSMERKMAL: ZUSAMMENARBEIT MIT DEM HEIZKRAFTWERK NORD

Verfechter des MVA-Modells heben hervor, dass eine Klärschlammverbrennung auf dem Gelände der Müllverbrennungsanlage (MVA) als einzige der für Bonn diskutierten Alternativen ein Zusammenwirken mit einem Heizkraftwerk (HKW) vorsieht. Zudem handelt es sich beim Bonner HKW Nord unbestritten um eine moderne Anlage mit einem hohen Wirkungsgrad von 90 %. Auch kann sich die Bilanz derzeit durchaus sehen lassen. Denn die MVA liefert rund 500 000 MWh Dampf an das HKW Nord . Das spart etwa 48 000 t/a an CO2-Äquivalenten ein. Die MVA trägt damit zu rund einem Viertel zu den Einsparungen des HKW Nord bei (bis zu 194 000 t/a).

ZWEIFELHAFTE ENERGIEÜBERSCHÜSSE

Diese Kombination mit dem Heizkraftwerk Nord bringt allerdings nur Vorteile, wenn größere Energiemengen dorthin abgeführt werden. Die Prognosen für die zusätzlichen Energiegewinne lassen daran aber Zweifel aufkommen. So enthält die Machbarkeitsstudie des Ingenieurbüros Born-Ermel für die Klärschlammverbrennung auf dem MVA-Gelände (Drs. 1811289ED16, Anlagen Drs. 1811289ED17) insgesamt sehr viel weniger Details als das Gutachten für den Salierweg. Dies gilt auch für die Energieaspekte (u.a. S. 14 und S. 38 ff).

In einer ersten Einschätzung geht Born-Ermel davon aus, dass bei dieser Anlagenkonfiguration keine nennenswerten Energieüberschüsse entstehen:

  • „Mit dem von der Anlage erzeugten Dampf wird die gemeinsam mit der MVA genutzte Turbine gespeist. Der hierbei anteilig erzeugte Strom wird für die Eigenversorgung der Neuanlage verwendet. Derzeit wird davon ausgegangen, dass kein Überschussstrom anfällt, der an das MVA-Verbundnetz abgegeben werden könnte“ (Machbarkeitsstudie, S. 59).
  • „Eine Vergütung der Wärme wurde nicht vorgesehen, da kein nennenswerter Wärmeüberschuss erzeugt wird“ (Machbarkeitsstudie, S. 60).

Nachteilig bei der MVA-Variante wirkt sich der hohe Bedarf an Eigenstrom für die Klärschlammverbrennung aus (vgl. Machbarkeitsstudie, S. 24). Ein wichtiger Grund ist, dass der gesamte angelieferte Klärschlamm getrocknet werden muss. Aus Sicht der Fachleute ist damit „die energetische Effizienz dieser gewählten Anlagenkonfiguration als reduziert zu werten“ (Drs. 1811289ST15).

MEHR DATEN IN DER UMWELTANALYSE UND IM „RAMM-GUTACHTEN“

Im Anschluss an die Machbarkeitsstudien für die verschiedenen Strategien wurde Born-Ermel mit der Erarbeitung einer vergleichenden Umweltanalyse (Drs. 1811289ED4) beauftragt. Sie enthält Berechnungen zu den Emissionen aus Transport, aus den Anlagen sowie zu Energie und CO2-Einsparungen.

Für die MVA-Strategie werden folgende Werte ausgewiesen (Tabelle 13, S. 16 und Anlage 2):

  • Einer Stromerzeugung von 8 880 MWh/a steht ein Eigenverbrauch von 8 150 MWh/a gegenüber. Damit verbleibt laut Tabelle nur ein Überschuss von 700 MWh/a (das entspricht einer CO2-Einsparung von 369 t/a).
  • Für die CO2-Einsparung durch Wärmeabgabe wird ein Potenzial von 7 819 t/a errechnet. Wie beim Salierweg sehen die Experten von Born-Ermel aber keine Möglichkeit, die Wärme zu nutzen, etwa durch Einspeisung in ein Fernwärmenetz (Umweltanalyse, S. 14).

Das Ingenieurbüro Ramm, das auch den Immissionsschutzbeauftragten der MVA Bonn stellt, hat im Auftrag der MVA ein weiteres Gutachten vorgelegt (Drs. 1811289ED12). Danach besteht durch Nutzung der Verbrennungswärme im Fernwärmenetz mindestens ein CO2-Einsparungspotenzial von 2 396 t/a (S. 7).

VARIANTE 2: WAS BEDEUTET „VIEL“?

Wie beim Salierweg sind damit eindeutige Aussagen schwierig, wenn nicht unmöglich. Ergänzend hat die MVA ein neues Konzept angedacht. Ursprünglich war vorgesehen, dass der Dampf aus der Klärschlammverbrennung zunächst an die Dampfverteilung der MVA abgegeben wird und von dort unter anderem für die Stromerzeugung und die Trocknung genutzt wird (Machbarkeitsstudie, außerdem Drs. 1811289St15). Die Dampfmenge, die an das HKW Nord abgegeben wird, bliebe dabei gleich. Die Stromerzeugung der MVA würde gesteigert.

Nach einem neuen Vorschlag (Drs. 1811289ST15) würde der (Hochdruck-)Dampf aus der Klärschlammverbrennung direkt an das HKW Nord abgegeben und könnte so effizienter genutzt werden. Dies ist im Prinzip zweifellos richtig.

Es liegen aber keine Zahlen vor, wie sich das auf die Energieüberschüsse auswirken würde. Dazu wären zusätzliche Planungen und Berechnungen erforderlich. Aus Kostengründen wollen die Stadtwerke weitere Detailuntersuchungen aber erst in Auftrag geben, wenn der Stadtrat sich für die MVA-Strategie entscheidet. Der MVA-Geschäftsführer Manfred Becker beschränkt sich daher auf allgemeine Aussagen, etwa dass die Turbine des HKW Nord effizienter ist oder: „Nichts desto trotz ist dieser Vorteil unabhängig von seiner tatsächlichen Größe (was bedeutet „viel“?) immer als Add on im Vergleich zu allen anderen Lösungen gegeben“ (ebda).

FAZIT: KEINE KATZE IM SACK KAUFEN

Wir meinen allerdings, dass es sehr wohl auf die Größe der Energieeinsparung ankommt. Denn auch die effizienteste Turbine bringt nicht viel Vorteile, wenn die absolute Energiemenge gering ist. Hinzu kommen die negativen Auswirkungen, die der deutlich höhere Schadstoffausstoß einer großen Anlage mitten in der Stadt mit sich bringt. Daher ist es unsere Erachtens nicht akzeptabel „die Katze im Sack zu kaufen“.

QUELLEN

  • Born-Ermel, MVA-Machbarkeitsstudie, 2018, Drs. 1811289ED16
  • Born-Ermel, Anlagen der MVA-Machbarkeitsstudie, 2018, Drs. 1811289ED17
  • Born-Ermel, Umweltanalyse, 2018, Drs. 1811289ED4
  • Ramm, Kurzfassung (ohne Titel) eines Gutachtens im Auftrag der MVA Bonn, 2018, Drs. 1811289ED12
  • Stellungnahme der Verwaltung zur MVA-Machbarkeitsstudie (Drs. 1811289ST15)

MARCH 19, 2019

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